Programmieren in Natur und Technik

Natur und Technik: Unterricht als Computerspiel

 

Jeder darf seine eigene elektronische Schaltung zusammensetzen, mit Ingenieuren von Siemens einen Elektromotor bauen, eigene Roboter entwerfen und eine vollautomatische Fabriksimulation von Fischertechnik beobachten, warten … So sieht eigentlich der Unterricht im Qualifizierungsfach „Natur und Technik am Beispiel Siemens“ aus. Doch dann kam die Pandemie.

 

Da jede Schülerin und jeder Schüler in der 9. bzw. 2-stufigen 10. Klasse sich ein Qualifizierungsfach frei auswählen darf, war diese Form des Unterrichts mit die erste, die vom Klassenzimmer nach Hause an die Computer im Distanzunterricht verlagert wurde. Dadurch wurde aber der so beliebte praktische, technische Unterricht unmöglich. Was tun?

 

Unsere Roboter der Schule und auch die Fabriksimulation lassen sich mit verschiedenen Programmiersprachen programmieren. Schon einige Jahre beschäftige ich mich damit: Welche Sprache ist die richtige für unsere Schülerinnen und Schüler? Welche ist weltweit am verbreitetsten? Mit welcher kann man die verschiedensten Inhalte programmieren, z. B. für Geräte und Webseiten? Welche Programmiersprache ist also vollwertig und keine Sprache, die man nur für kleine Spielchen bereits an der Grundschule lernt? Welche Sprache ist besonders einfach zu lernen und nicht nur für Apple- oder Windows-Geräte gedacht, sondern plattformübergreifend?

 

Die Corona-Krise bot die Möglichkeit, diese Fragen zu beantworten. Dafür nahm ich in den vergangenen Jahren mit einigen Akteuren im technischen Bereich Kontakt auf: Zu Siemens-Ingenieuren und dem Regionalreferat in Erlangen, mit Fischertechnik, die ebenfalls an einer weiteren Zusammenarbeit interessiert sind, zum SAP University Competence  Center an der Universität Magdeburg und mit Skip Berry, dem Leiter des  Center for Internet Security des City College in unserer Partnerstadt Riverside in Kalifornien.

 

Nach diesen umfangreichen Recherchen und Beratungen entschied ich mich dazu unseren Schülerinnen und Schülern seit den Lockdowns die Programmiersprache Python beizubringen. Sie ist die Antwort auf alle vorhin gestellten Fragen und mit ihr kann man sowohl unsere Roboter, als auch unsere Fabriksimulation programmierenUnternehmen wie Philips oder auch Google und die NASA nutzen z. B. ebenfalls diese Sprache. Doch wie unterrichtet man ein so neues und komplexes Thema am besten, wenn alle nur zuhause alleine vor ihren Computern sitzen?

 

Mit epischen Computerspielen! Zunächst bekommt jede Schülerin und jeder Schüler einen Zugang zu einem deutschsprachigen Rollenspiel und sucht sich einen Charakter aus. Diese Spielfigur wird mit echter Programmiersprache gesteuert, die man auch Code nennt. Jetzt muss der richtige Weg durch eine große Spielwelt gefunden werden, ohne an Verletzungen durch Fallen oder Angriffe von feindlichen Ogern zu sterben. Die Charaktere sammeln Gegenstände, wie Edelsteine, ein oder bauen z. B. Zäune und später bekommt man als Helfer zur Aufstockung seines Teams noch einen tierischen Gefährten dazu, der zusätzlich Befehle in der Programmiersprache ausführen kann.

 

Die Schülerinnen und Schüler starten hier in der Welt „Kithgard Verlies“. Auf der linken Seite des Bildschirms ist immer die Karte mit dem Charakter zu sehen und auf der rechten schreibt man das Programm zur Steuerung des Charakters. Sind die rund 40 Levels der 1. Welt absolviert, darf man sich schon entscheiden mit welcher Welt man weitermacht. Entweder die Teilnehmerinnen und Teilnehmer möchten das „Verlies“ in „Backwoods Wald“ verlassen und weiterspielen, oder eine Welt wählen, in der man noch konkreteres Programmieren lernt: Spielentwicklung oder Web-Entwicklung. Bis jetzt gibt es schon bis zu 11 Spielwelten mit insgesamt mehr als 300 Levels.

 

Wer möchte, darf auch ein englischsprachiges Spiel wählen: Hier kann man seine Kenntnisse in der Programmier- und der Fremdsprache verbessern. Vom Prinzip ist es ähnlich. Man steuert mit dem Code auf der rechten Bildschirmseite einen Gefährten auf der linken Bildschirmseite. Dieser beginnt seine Reise in einer Bibliothek, in der beispielsweise lever und switches zum Öffnen von Türen und Geheimgängen betätigt werden müssen. Später kommt ihm sein Hund zu Hilfe. Nach einigen Lektionen lernt man hier noch früher Spielentwicklung.

 

Seit einiger Zeit habe ich darüber hinaus das Qualifizierungsfach als Wahlfach geöffnet. Das heißt alle Schülerinnen und Schüler dürfen aus jeder Jahrgangsstufe an dem Fach teilnehmen. In den vergangenen Jahren wurden es so immer mehr Teilnehmende. Wenn man also bereits in unserer 6. Klasse dieses Fach wählt, wie es dieses Schuljahr schon ein Teilnehmer getan hat, besteht die Möglichkeit altersgerecht ins vollwertige Programmieren einzusteigen. Besucht man das Wahlfach dann beispielsweise bis zur 9. Klasse, hat man die Möglichkeit über vier Jahre seine Fähigkeiten in der Programmiersprache Python immer weiter fundiert auszubauen.

 

Mehr Informationen zum MINT-Bereich sind hier zu finden. Dort kann man auch das 1. Spiel spielen, das im Programmier-Camp des Wahlfaches von Sebastian Fuchs (10b) mit Python programmiert wurde. Darin muss man am Computer mit der Tastatur den Drachen von der linken oberen Ecke des Bildschirms zur rechten unteren Ecke steuern, ohne von Hindernissen oder anderen Kreaturen zerstört zu werden.

 

Johannes Bassing